Am 10 Dezember 1948 hiess es bei der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte: „Equal rights for All.“ – Gleiche Rechte für Alle.
Nun stehen wir heute hier am 10 Dezember 2021 und müssen feststellen: Gleiche Rechte sind weiterhin eine Realität für Wenige: Sie sind das Privileg der Weissen, des Westens, der Männer, der Reichen, der heterosexuellen Bevölkerung. Gleichheit ist ein Privileg, sie existiert nicht an sich, sie bleibt eine Verheissung.Wenige haben die Ressourcen der ganzen Welt zu ihren Füßen: was die Gestaltung ihrer Rechte auf Wohnen, Gesundheit, Bildung, Arbeit und auch: das Recht auf Bewegungsfreiheit anbelangt.
Dieses eine Recht – Bewegungsfreiheit Artikel 12 der Allgemeinen Erklärung – ist so weit weg von einer Realisierung, dass der Name „Recht“ fast wie Hohn klingt. Seit den 1990er Jahre haben die Staaten dieser Welt die Menschenrechte für Geflüchtete dramatisch verschlechtert. Die Asylgesetzgebungen wurden und werden immer wieder verschärft, die Europäischen Aussengrenzen wurden abgeschottet und aufgerüstet, das Mittelmeer und die Sahara sind Massengräber, Mahnmale für das Ende aller Illusionen: Gleichheit an Rechten existiert nicht.
Diese Ungleichheit zeigt sich in so vielen Dingen:
– Den Zäunen, Mauern, Stacheldraht und Waffen – von Ceuta und Melilla bis hin zu tödlicher Waffengewalt gegen Geflüchtete mitten in unserem Alltag – die Liste der Toten ist lang, viel zu lang.
– Die Ungleichheit zeigt sich in den Erweiterungen der Grenzzonen. Bis zu 20 km ins Landesinnere wird als Grenzraum verstanden, was Pushbacks verstärkt und Raum lässt, die Pressefreiheit auszuhebeln, Unterstützung zu verhindern, und wo Polizeigewalt (auch mit Waffen) nicht beobachtet werden kann und soll. Im Dunkeln stirbt unsere Gleichheit.
– Die Ungleichheit zeigt sich in den Versuchen, die Seenotrettung zu kriminalisieren und die Meere zu militarisieren. Der Einsatz von Frontex wird immer brutaler, Europas Grenzarmee führt aktiv Pushbacks durch, sie verhindern private Seenotrettung. Auch die Nato ist immer öfter präsent – vor den Griechischen Inseln, oder an den Grenzen zwischen Polen und Belarus.
– Die Ungleichheit zeigt sich aber auch in der Unmenschlichkeit der Unterbringung. Unterkünfte werden zu Gefängnissen, in denen jeder Kontakt mit der Bevölkerung und Unterstützer*innen oder rechtlichem Beistand erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird.
– Wir könnten kaum mehr zum Ausdruck bringen, wie ungleich die Verhältnisse sind, als durch den Umstand, dass zehntausende von unbegleiteten Minderjährigen Geflüchteten vermisst werden – mitten unter uns, in Europa, unbemerkt von einem grossen Teil der Gesellschaft.
– Selbst uralten Institutionen wie dem Kirchenasyl werden immer mehr Steine in den Weg gelegt und die Bewegungsfreiheit von Menschen auf der Flucht dramatisch eingeschränkt.
– Geflüchteten wird auch der gleiche Zugang zu Institutionen und Rechten, wie sie in den anderen Artikeln der Charta festgehalten sind, während des gesamten Asylverfahrens vorenthalten – Gleichheit scheint dabei überhaupt kein Thema zu sein.
Die Staaten der EU haben hier eine gemeinsame Politik: Die heisst Abschottung, Abschottung und das Risiko in Kauf nehmen, damit Menschenleben zu gefährden.
Und das ist nicht alles: Wir haben hier noch nicht einmal über die Situation gesprochen, wie sie sich ungleich schwerer für Frauen*, BiPOC-Personen, LGBTIQA*-Menschen, Behinderte Menschen, und auch Kinder darstellt.
Solange diese Systeme und diese Politik aufrecht erhalten bleiben, wird das Ergebnis unverändert sein: Alle Rechte stehen nur Wenigen zu, und immer mehr Menschen stehen immer weniger Rechte zu. So wird sich nichts ändern.
Solange wir nicht verstehen, dass unsere Privilegien auf Ausbeutung, Verachtung, Tötung basieren, von Menschen und ihrer Umwelt, werden sich die Notlagen weiter verschärfen.Je mehr wir Abschotten, Ausbeuten, Zerstören, Töten…umso weniger Zukunft haben wir alle!
Daher rufen wir auch an diesem 10. Dezember dazu auf: … agiert, handelt, spendet, unterstützt, wehrt euch…Unser aller Rechte sind in Gefahr, da wo die Rechte eines Einzelnen von uns in Gefahr sind…