Das Gruselkabinett der Wohnraumsorgen
Die Diskriminierung von Geflüchteten am Wohnungsmarkt dokumentiert von der Solidarischen Provinz Wendland/Altmark
2016-2021 | Landkreis Lüchow-Dannenberg
Vor wenigen Tagen, am 8. November 2022, fand in Hitzacker eine sogenannte „Wohnraumkonferenz“ statt, um das Wohnraumkonzept des Landkreises und weitere Sorgen bzw. Herausforderungen mit der Wohnraumversorgung im Landkreis kritisch zu diskutieren und nach Möglichkeiten für die Überwindung zu suchen.
Für die Konferenz ist dieser Text entstanden. Im Kern ist die Beobachtung der solidarischen Provinz die folgende: Wir beobachten eine zutiefst menschenunwürdige und hochgradig doppelzüngige Wohnraum- und Integrationspolitik des Landkreises. Kassierte der Landkreis doch über Jahre hinweg großzügig Bezüge aus Integrationsmitteln in Millionenhöhe und machte gleichzeitig mit unnötigen und illegalen Abschiebeversuchen auf sich aufmerksam. Wenn nun gegenüber dem Innenministerium behauptet wird, der Landkreis wäre an seine Aufnahmekapazitätsgrenzen gestoßen, so ist dies selbstverschuldet.
Daher fordern wir:
- Es bedarf keiner weiteren Expert*innenrunde für die Bearbeitung dieser oben genannten Probleme – die Probleme sind bekannt, liegen auf der Hand, Lösungsvorschläge sind schon zu genüge unterbreitet worden.
- Es braucht jetzt bezahlbaren Sozialwohnungsbau oder bekömmlichen Wohnraum. Hier könnte der Landkreis exekutiv dem Leerstand aktiv entgegenwirken, indem er sich für verpflichtende Mietauslastungen einsetzt und bei Leerstand die Grundsteuerlast der Eigentümer*innen empfindlich erhöht.
- Der Landkreis kann aktiv und ohne Obergrenze die von Vermieter*innen verlangten Mietkautionen übernehmen.
- Der Landkreis könnte eine aktive Mietpreisgrenze durchsetzen.
- Sanierungsprogramme zur energetischen Isolierung von Altbauten könnten nicht nur zu Zeiten einer Energie- und Klimakrise weitreichende Effekte auch auf die Bewohnbarkeit von Wohnungen, die Gesundheit der Bewohner*innen und bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum im Landkreis haben!
- Der Landkreis muss sich für alternative Finanzierungs- und Gestaltungsmodelle für Sozialen Wohnungsbau einsetzen. Erste Ideen zu genossenschaftlichen Umsetzungen sind ermutigend, müssen aber mit Nachdruck und in deutlich größerem Umfang vorangetrieben werden.
- Der Landkreis muss bei erkennbarer Wohnraum-Diskrimnierung eigenständig juristisch gegen Vermieter*innen tätig werden. Diskriminierung kann angezeigt und verfolgt werden, hier muss der Landkreis mehr tun.
die Solidarische Provinz
Der gesamte Text findet sich hier:
Das Gruselkabinett der Wohnraumsorgen
Die Diskriminierung von Geflüchteten am Wohnungsmarkt dokumentiert von der Solidarischen Provinz Wendland/Altmark
2016-2021 | Landkreis Lüchow-Dannenberg
Wir beobachten eine zutiefst menschenunwürdige und hochgradig doppelzüngige Wohnraum- und Integrationspolitik des Landkreises. Kassierte der Landkreis doch über Jahre hinweg großzügig Bezüge aus Integrationsmitteln in Millionenhöhe und machte gleichzeitig mit unnötigen und illegalen Abschiebeversuchen auf sich aufmerksam. Wir erinnern an Abschiebungen direkt aus dem Kreishaus heraus und an Abschiebungen von Teilen einer Familie, während die Mutter im Krankenhaus behandelt wurde. Der Landkreis hat insbesondere bei Integrationsmaßnahmen, ganz entgegen seiner Verlautbarungen, entschieden Spielraum und kann seine Kompetenzen nutzen.
Wenn nun gegenüber dem Innenministerium behauptet wird, der Landkreis wäre an seine Aufnahmekapazitätsgrenzen gestoßen so ist dies selbstverschuldet. Die Mittel aus den Integrationsfonds wurden zur Haushaltssanierung verwendet, anstatt in Ausstattung, Investitionen in nachhaltigen und sozialverträglichen Wohnraum oder andere Gemeinsinn stiftende Vorhaben zu investieren.
Der Landkreis ist sich auch nicht zu schade dafür, seine offensichtlichen Versäumnisse und widersprüchlichen Verlautbarungen damit zu konterkarieren, dass er bei der ersten sich bietenden Gelegenheit versucht, eine zentrale Sammelunterkunft im Nirgendwo zu etablieren. Im März 2022 war der Kreistag plötzlich bereit, Millionen in die Hand zu nehmen und gar eigene Kindertagesbetreuungsmöglichkeiten aus dem Boden zu stampfen, wo an derlei Möglichkeiten jahrelang an anderer Stelle extreme Knappheit herrschte. Allerdings wurde auch aus diesem Projekt erst einmal nichts. Stattdessen wurde eine heruntergekommene Turnhalle in Lüchow als Gemeinschaftsunterkunft mit Feldbetten ausgestattet. Seit Oktober 2022 leben nun auch in Steine, in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Schlachterei, 44 Geflüchtete. Dort teilen sich nun 4-6 Personen ein Zimmer.
Was bleibt: der Eindruck, dass Geflüchtete absichtlich und mit großem Aufwand von einer erfolgreichen Integration, der Möglichkeit eines sicheren Wohnraums und einer ernsthaften Teilhabe abgehalten werden sollen. Das zentrale Vehikel dafür scheint uns die Wohnraumpolitik des Landkreises zu sein!
Wir stellen fest:
- Entgegen der entsprechenden Zielverlautbarungen gab es in den letzten Jahren keinen Neubau von Sozialwohnungen.
- Viel eher nehmen wir einen realen Rückgang der verfügbaren Wohnungen wahr, offenbar weil Fördergelder nicht mehr fließen und Wohnungen nun auf dem „normalen“ Wohnungsmarkt angeboten werden.
- Der Landkreis betätigt sich zunehmend weniger als Vermieter.
- Bei möglichen Anmietungen übernimmt der Landkreis nicht automatisch die Einlage der fälligen Kautionen – dies erschwert den Zugang zu Wohnraum.
- Es ist keine Initiative zu erkennen, als Landkreis eigenständig Wohnraum zu erwerben, um diesen günstig für Einzelpersonen, Paare, oder kleine wie große Familien zur Verfügung zu stellen.
- Auch genossenschaftliche Wohn(-bau)projekte werden vom Landkreis nicht als alternative Möglichkeiten verfolgt – erst die Diskussion um den Erwerb der Immobilie in NeuTramm stößt hier etwas an. Die Intensität der Verfolgung dieser Ideen ist erkennbar gering.
- Es gibt keine Versuche und auch keine erkennbare Bereitschaft, bekannte Leerstände als Wohnungen für den Sozialwohnungsmarkt anzufragen – und auch keine Bereitschaft durch (offenbar oft spekulativ agierende) Vermieter*innen, diesen Wohnraum anzubieten.
- Einer der größten Anbieter von Sozialwohnungen scheint nicht mehr aktiv an Empfänger*innen von Arbeitslosengeld II (Hartz-IV) zu vermieten, da die Miete höher als der zulässige Maximalsatz ist.
- Eine deutlich spürbare Diskriminierung von nicht-weißen Personen auf dem Wohnungsmarkt in Lüchow-Dannenberg, die sowohl wir in solidarischer Begleitung, als oft auch die Zuständigen in den Behörden gleichermaßen wahrnehmen, wird weder auf der Verwaltungsebene noch im politischen Diskurs angegangen.
Zudem dokumentieren wir mit Blick auf die Situation nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine 2022 hierzulande eine Verschärfung der Situation:
- Eine lange in Abrede gestellte Idee der Umsetzung eines zentralen Sammellagers wurde plötzlich mehrheitsfähig und als Erkundungsplan ohne Gegenstimmen durch den Kreistag gebracht. Dies stand in eklatantem Widerspruch zur noch im Wahlkampf 2021 erfolgten Aussage, an dezentraler Unterbringung interessiert zu sein.
- Die Unterbringung von Geflüchteten in Turnhallen und eine nun erfolgte Teilauslagerung in einen ehemaligen Schlachthof sprechen Bände für eine verfehlte Wohnraumpolitik des Landkreises.
- Wie zu befürchten stand, werden nicht-weiße Geflüchtete gegenüber weißen (jetzt natürlich häufig ukrainischen) Geflüchteten noch weiter diskriminiert. Die Betroffenheiten von Ukrainer*innen und anderen Geflüchteten werden gegeneinander ausgespielt – diese unsolidarische Privilegierung hinterlässt tiefe Wunden bei nicht-weißen Menschen.
- Die allgemeine Preiserhöhung durch Inflation, Ressourcen/Energieknappheit und die seit beginn der Covid-19-Pandemie beobachtbare Preissteigerung bei Boden- und Hauspreisen im Landkreis führt zu einer enormen Mietpreissteigerung bei gleichzeitig kleiner werdenden Realeinkommen – letztlich verlieren auf einem solchen Wohnungsmarkt v.a. die Marginalisierten.
- Wohnungen, die an Geflüchtete vermietet werden, befinden sich oft – und das zunehmend – in einem desolaten Zustand. Gerade vor dem Hintergrund der Energiekrise, der gestiegenen Preise und der daraus resultierenden geringeren Nutzung von Heizungen verschlechtert sich der Zustand dieser Wohnungen erwartbar: durch Kälteschimmel; durch Gesundheitsprobleme der Bewohnenden; durch entsprechend illegale und gefährliche Notheizlösungen, die die Leben der Bewohnenden unnötigen Risiken aussetzen.
Daher fordern wir:
- Es bedarf keiner weiteren Expert*innenrunde für die Bearbeitung dieser oben genannten Probleme – die Probleme sind bekannt, liegen auf der Hand, Lösungsvorschläge sind schon zu genüge unterbreitet worden.
- Es braucht jetzt bezahlbaren Sozialwohnungsbau oder bekömmlichen Wohnraum.
- Hier könnte der Landkreis exekutiv dem Leerstand aktiv entgegenwirken, indem er sich für verpflichtende Mietauslastungen einsetzt und bei Leerstand die Grundsteuerlast der Eigentümer*innen empfindlich erhöht.
- Der Landkreis kann aktiv und ohne Obergrenze die von Vermieter*innen verlangten Mietkautionen übernehmen.
- Der Landkreis könnte eine aktive Mietpreisgrenze durchsetzen.
- Sanierungsprogramme zur energetischen Isolierung von Altbauten könnten nicht nur zu Zeiten einer Energie- und Klimakrise weitreichende Effekte auch auf die Bewohnbarkeit von Wohnungen, die Gesundheit der Bewohner*innen und bezahlbaren und lebenswerten Wohnraum im Landkreis haben!
- Der Landkreis muss sich für alternative Finanzierungs- und Gestaltungsmodelle für Sozialen Wohnungsbau einsetzen. Erste Ideen zu genossenschaftlichen Umsetzungen sind ermutigend, müssen aber mit Nachdruck und in deutlich größerem Umfang vorangetrieben werden.
- Der Landkreis muss bei erkennbarer Wohnraum-Diskrimnierung eigenständig juristisch gegen Vermieter*innen tätig werden. Diskriminierung kann angezeigt und verfolgt werden, hier muss der Landkreis mehr tun.
Die Solidarische Provinz