Nein, so nicht! Menschenwürdig geht anders!

Nein, so nicht! Menschenwürdig geht anders!

5 Argumente gegen eine Massenunterkunft
in den alten Kasernen Neu Tramm

Der Kreistag soll am 12.12.2022 über den Kauf des ehemaligen Kasernengeländes in Neu Tramm abstimmen. Das dazu vorliegende Konzept der Landkreisverwaltung sieht auf dem Gelände eine Massenunterkunft für mindestens 500 Menschen vor, die vom Land Niedersachsen betrieben werden soll. Dafür wird ein Mindestmietzeitraum von 10 Jahren anvisiert. Doch wenig an der angestrebten Lösung ist sinnvoll. Hier 5 Argumente, die gegen den Kauf und Betrieb auf die angestrebte Weise sprechen:

1) Menschenwürdig geht anders!

Das vorliegende Konzept sieht vor, dass das Land Niedersachsen einen Träger anfragt (hier wurde vorsorglich schon einmal ein Konzept des DRK angefragt und als „eigenes“ verkauft) und dort eine Massenunterkunft für 500-800 Menschen betreibt. Schon im knapp entworfenen Kurzkonzept sprechen die Autor*innen die Knackpunkte an: 4-6 Bett-Zimmer (bei minimaler Belegung), keine geschlechter-, ethnien- oder anderweitig bedarfsgerecht trennbaren Hygieneeinrichtungen, sondern nur Etagenduschen, eine zentrale Kantine für alle Bewohner*innen zusammen, Beschulung und Sorgeeinrichtungen sollen auf dem gleichen Gelände platziert werden, Austausch und Kontakt mit der Allgemeinbevölkerung ist nicht vorgesehen.

Wir sagen: NEIN, So nicht! Menschenwürdig geht anders.

Die Menschen, die in diesem staatlichen Lager zusammengebracht werden sollen, können angeblich aus asylrechtlichen Gründen nicht auf die Kommunen verteilt werden – entsprechend groß werden die Sorgen, die Erwartungen und der Frust der Geflüchteten aufgrund der Wartezeiten, Ungewissheiten und ständig drohender potentieller Abschiebungen sein. Menschen in diesen Zwangssituationen dann auch noch in ein Massenlager zu bringen, programmiert die Konflikte schon vor. Dass das Kurzkonzept weder Sozialbetreuungsschlüssel anführt noch Schutzkonzepte überhaupt angedacht hat, weist schon jetzt darauf hin, dass dies keineswegs eine „menschenwürdige“ Unterkunft sein soll – sondern eine unverantwortliche soziale Härte gegenüber schutzwürdigen Menschen darstellt.

2) Der Schuldendienst steht auf wackligen Füßen – und drückt auf leidende Schultern:

Das bisherige Konzept sieht eine Kaufsumme von ca. 17,5 Mio. € vor und einen Schuldendienst, der über 10 Jahre ausschließlich auf einen dauerhaften Mieter abstellt: das Land Niedersachsen. Weiter wird über potentielle andere, kleinere Mieter*innen spekuliert, ohne dass nachvollziehbar dargestellt wird, wer denn überhaupt ein Interesse an einer Mietsituation dort vor Ort haben könnte.

Wir sagen: NEIN, So nicht! Eine nachhaltige Finanzierung muss anders aussehen!

Der Landkreis macht sich mit einer geplanten Schuldentilgung durch einen einzigen (!) Großmieter unnötig fahrlässig abhängig und provoziert eine massive Verschuldung des Landkreises.

Zur Einschätzung, ob und in welcher Weise das Land Niedersachsen unter welchen Kündigungsbedingungen tatsächlich bereit ist, einen 10-Jahres-Mietvertrag zu unterzeichnen, gehen die Einschätzungen weit auseinander. Im schlechtesten Fall kauft der Landkreis und der Mietvertrag mit dem Land materialisiert sich nicht – dann droht ein großes Haushaltsloch; im wahrscheinlicheren Fall unterzeichnet das Land und zementiert ein Lager in Neu Tramm, das jede anderweitige Entwicklung des Geländes verunmöglichen wird, was nach Ende der Mietsituation massive Neuinvestitionen verlangen wird, bei immer noch laufendem Schuldendienst – ein solch tönernes Finanzierungskonzept darf nicht die Grundlage sein!

3) Eine Senkung der zugewiesenen Quote in 2023 und eine Arbeitsentlastung des Landkreises ist unwahrscheinlich:

Die Kreisverwaltung argumentiert, ein solches Massenlager würde helfen, die eigene Unterbringungsquote aufwandsarm zu erfüllen, da pro untergebrachter Person 0,7 Personen angerechnet werden würden. Bei minimaler Auslastung wären dies 350 Personen, bei maximaler Auslastung ca. 550. Die Kreisverwaltung geht von einer Inbetriebnahme binnen Wochen aus und geht daher von einer absoluten Senkung der zugewiesenen Quote 2023 aus.

Wir sagen: Nein, So nicht! Das ist absolut unwahrscheinlich – eine ehrliche Planung muss her!

Auch wenn die Kreisverwaltung etwas anderes behauptet – keinesfalls ist die Unterkunft binnen Wochen bezugsfertig. Neu Tramm hat einen Investitionsrückstau, die entsprechenden Reparaturen, Sanierungen und Investitionen müssten vom Mieter „Land Niedersachsen“ nach eigenen Vergaberichtlinien überhaupt erst ausgeschrieben werden, die Handwerker*innen gefunden werden und die Sanierungen durchgeführt werden. Auch der Betreiber muss erst gefunden werden. Dann müssen logistische Fragen geklärt werden. Keinesfalls ist mit einer Inbetriebnahme vor März/April 2023 zu rechnen. Zudem ist nicht mit einer sofortigen „Vollbelegung“ zu rechnen. Daher wird der Landkreis weiterhin Zuweisungen erhalten und muss diese unterbringen. Ganz im Gegensatz zur Argumentation der Verwaltung wird also der Aufwand nicht sinken, sondern steigen: es müssen weiterhin Unterbringung, Versorgung usw. der zugewiesenen Geflüchteten organisiert werden und gleichzeitig die aufkommenden Herausforderungen, Koordinationsbrücken und Kommunikationskanäle zu den Betreiber*innen des Massenlagers gehalten und gepflegt werden. Und ob die Quote in 2023 dadurch überhaupt in signifikantem Maße sinkt, ist noch nicht ausgemacht. Zudem kommen selbstredend akute Neuherausforderungen auf den Landkreis zu: Wie sollen die Mitarbeiter/innen für die geplante Unterkunft überhaupt gefunden werden? Der Mangel an Ärzt*innen, Sozialarbeiter*innen, Lehrkräften, Erzieher*innen ist doch bekannt. Es gibt schon jetzt zu wenig Plätze an Deutschkursen, geringe Beratungskapazitäten und keine spezialisierten Angebote wie beispielsweise das Netzwerk für traumatisierte Flüchtlinge in Hannover. Alle Menschen in Lüchow-Dannenberg haben mit der schlechten ärztlichen Versorgung zu kämpfen – wieso sollte das Land Niedersachsen diese Kräfte plötzlich herbeiorganisieren können? Auch hier ist gegenläufig zur Argumentation mit einem Mehraufwand der Kreisverwaltung zu rechnen!

In der Beschlussvorlage wird zudem ausgeführt, dass die Aufgaben des Sozialamts und der Ausländerbehörde von der LabNI übernommen würden. Doch auch dafür braucht das Land reales Personal. Wahrscheinlich werden Sie keine Mitarbeiter*innen aus Braunschweig oder Hannover mitbringen und diese dann in einem eigenen Block einquartieren. Dass das Landesschulamt Lehrkräfte hat oder findet, die in einer abgelegenen Unterkunft arbeiten ist schlicht unrealistisch.

4) Eine Zementierung unmenschlicher Unterbringung ist nicht nachhaltig:

Die Landkreisverwaltung argumentiert mit dem faktischen Zwang einer „Notsituation“ in der nun viele Menschen akut unterzubringen seien. Insgesamt seien als Jahreskontingent derzeit über 900 Geflüchtete vorgesehen, bis September 2023 noch 450 Personen unterzubringen. Diese Notsituation sei so neu und herausfordernd, benötige nun der gemeinsamen Anstrengung und ließe keine andere Wahl als den Kauf und Betrieb von Neu Tramm als Massenlager.

Wir sagen: NEIN, So nicht! Unmenschliche Unterbringung zu zementieren ist nicht nötig und nicht nachhaltig.

Die Landesregierung ist natürlich in der Situation, dass sie ankommende Geflüchtete nach Schlüssel auf die Landkreise verteilen muss; und selbstredend muss der Landkreis mit der herausfordernden Situation umgehen, immer mehr Personen mit Wohnraum zu versorgen. Aber machen wir uns klar: die Zahl von 912 Personen ist im Laufe des Jahres unterzubringen und nicht ad hoc übermorgen; das lässt Zeit und bietet die Chance, dezentrale Unterbringung zu ermöglichen. Neu ist diese Situation keineswegs und sie hat auch nicht plötzlich für den Landkreis krisenhafte Ausmaße angenommen. Seit Jahren liegen Vorschläge vor zur Entwicklung von Sozialwohnungsbauten, genossenschaftlichen Konzepten, Huckepack-Überlegungen zu Projekten des Lebens auf großen Höfen, und nicht zuletzt zu steuerlichen Strafmöglichkeiten, um Leerständen aktiver zu begegnen. All diese Optionen sind nicht ernsthaft erkundet worden – diese Ansätze bieten jedoch auch heute noch deutlich nachhaltigere Lösungsoptionen, als ein Massenlager. Denn sie schaffen wahrhafte Integrationsmöglichkeiten, sie bieten Anschluss an Gesellschaft, Kultur, Versorgungsinfrastruktur und zukünftige Arbeitsmöglichkeiten. Ein Massenlager bietet nichts davon – es ist eine lose-lose-Situation für alle.

5) Neu Tramm ja, aber nicht so! Welche Entwicklung wollen wir im Landkreis?

Der Vorschlag der Verwaltung stellt als Option dar, dass es parallel zum Lagerbetrieb mögliche weitere Mieter*innen geben könnte; und dass die weitere Entwicklung des Geländes parallel möglich sei.

Wir sagen: Neu Tramm ja, aber doch nicht so!

Unfraglich ist die Immobilie in Neu Tramm interessant, aber für gänzlich andere Lebens- und Kooperationsformen, als von der Verwaltung vorgestellt. Dem Kreistag liegt sogar alternativ ein fertig ausgearbeitetes Konzept für das gesamte Gelände vor, das die Entwicklung eines integriertes Wohn- und Arbeitsviertels inkl. dezentraler Geflüchtetenunterbringung vorsieht. Dergleichen hätte in den letzten neun Monaten auch aus eigener Initiative heraus entwickelt werden können – und es ist nicht einsichtig, weshalb Kreditaufnahme und Schuldendienst bei Nachhaltigkeitsbanken und durch die kommenden Mieter*innen weniger kostenneutral zu realisieren wäre, wie das jetzt zum Beschluss vorliegende Konzept für ein Massenlager.

Wir sagen also: Nein zum menschenunwürdigen Massenlager in Neu Tramm; ja zu nachhaltigen Entwicklungsoptionen für sozial verträglichen Wohnungsbau und dezentrale Geflüchtetenunterbringung im Landkreis!

Die Entscheidung liegt in Ihren Händen!

Die Solidarische Provinz